Nutzungsdauerproblem

Aus ControWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

von Clemens Werkmeister

Die Nutzungsdauerentscheidung gehört zu den Problemen des Timings von Investitionsprojekten. Dabei geht man davon aus, dass aufgrund der Projektplanung eine Prognose der Anfangsinvestition und einer Reihe jährlicher Zahlungsüberschüsse vorliegt. Die jährlichen Zahlungsüberschüsse können voneinander abweichen, beispielsweise weil mit zunehmendem Alter die Anlagen anfälliger werden. Steigende Ausfallzeiten führen zu höheren Ausgaben für Reparaturen und geringeren Erlösen. Bei der einfachen Nutzungsdauerentscheidung wird kein Folgeprojekt berücksichtigt. Soweit dies doch der Fall ist, liegen ein Problem der Investitionskettenoptimierung oder ein Ersatzproblem vor.

Beispiele von Nutzungsdauerproblemen

  • die Festlegung der Nutzungsdauer von Fahrzeugen, Gebäuden oder Maschinen, bevor sie anschließend entsorgt oder verkauft werden,
  • ob in der Automobil- oder Luftfahrtindustrie ein bestimmtes Modell noch ein oder mehrere Jahre produziert werden soll oder ob die Fertigung eingestellt werden soll;
  • ob in der Forstwirtschaft eine Waldfläche noch weiter wachsen oder geerntet werden soll.


Lösungsansätze für Nutzungsdauerprobleme

Für die finanzielle Beurteilung von Nutzungsdauerproblemen gibt es zwei Ansätze:

  • im Gesamtbewertungsansatz wird für jede Nutzungsdaueralternative der Kapitalwert der Cash flows über die gesamte Nutzungsdauer berechnet und anschließend wird die Nutzungsdauer mit dem höchsten Kapitalwert gewählt;
  • im Grenzerfolgsansatz wird untersucht, ob ausgehend von einer Anfangsnutzungsdauer eine Verlängerung um eine Periode vorteilhaft ist. Typischerweise ermöglicht die Verlängerung Cash flows durch laufende Einnahmenüberschüsse und den Liquidationserlös in der Folgeperiode; dafür muss man auf den Liquidationserlös zum Ende der laufenden Periode verzichten. Der Grenzerfolg ist die Differenz aus zusätzlichen Einnahmen und dem - aufgezinsten - entgangenen Liquidationserlös. Ist er positiv, lohnt sich die Nutzungsdauerverlängerung um die betrachtete Periode.

Ist damit zu rechnen, dass auf Perioden mit negativem Grenzerfolg noch Perioden mit positivem Grenzerfolg folgen, ist wiederum der Gesamteffekt über negative und positive Perioden zu ermitteln. Dazu ist der Kapitalwert der jeweiligen Grenzgewinne zu bilden. Geschieht dies über die gesamten Projektdauern, entspricht er den Kapitalwerten im Gesamtbewertungsansatz.


Beispiel 1 zur Nutzungsdaueroptimierung

Die folgende Tabelle enthält ein Beispiel zur Optimierung des Erntezeitpunkts eines Waldstücks, das entweder sofort oder in einem der Folgejahre, jedenfalls aber nur in einem der Jahre abgeholzt werden soll. Beim Abwarten wächst der Wald und ermöglicht höhere Cash flows, doch nimmt das Wachstum von Jahr zu Jahr ab. Bei einem Zinssatz von 10 % ergeben sich die Gesamtwerte der Nutzungsdaueralternativen in der Kapitalwertzeile. Darunter stehen die Grenzerfolge. Nach beiden Berechnungen ist ein Abwarten bis Jahr 4 optimal:


Erntejahr 0 1 2 3 4 5
Cash flow 60 70 80 90 100 105
Wertänderung 16,7 % 14,3 % 12.5 % 11,1 % 5,0 %
Kapitalwert bei 10 % 60 63,6 66,1 67,7 68,3 65,2
Grenzerfolg bei 10 % 4 3 2 1 -5

Auch ein Vergleich der jährlichen Wertänderung mit dem Kalkulationszinssatz von 4 % führt zur optimalen Nutzungsdauer von 4 Jahren.


Beispiel 2 zur Nutzungsdaueroptimierung

Im folgenden Beispiel fallen in jedem möglichen Laufzeitjahr Cash flows an. Mit zunehmenden Alter der Anlage sinken sie, ebenso die möglichen Liquidationserlöse, wenn auch in anderem Ausmaß.


Jahr 0 1 2 3 4
Cash flow -1000 500 500 300 100
Liquidationserlös 600 300 100 -50


Für den Gesamtbewertungsansatz ergeben sich die folgenden Gesamt-Cash-flows und ihre Kapitalwerte (NPV):


Jahr 0 1 2 3 4 NPV
ND 4 Jahre -1000 500 500 300 50 127,3
ND 3 Jahre -1000 500 500 400 168,3
ND 2 Jahre -1000 500 800 115,3
ND 1 Jahr -1000 1100 0


Beim Grenzerfolgsansatz sind die Cash flows (laufende Cash flows und Liquidationserlöse) eines zusätzlichen Jahres den entgangenen (aufgezinsten) Liquidationserlösen zum Ende des Vorjahres gegenüberzustellen:


Jahr 0 1 2 3 4
Zusatz-Cash-flow 1100 800 400 50
entgangener aufgezinster Liquidationserlös 660 330 110 -50
Grenzerfolg der Verlängerung von t auf t+1 0 140 70 -60
Barwert des Grenzerfolgs 0 115,7 52,6 -41


Auch hier ergibt sich eine optimale Nutzungsdauer von drei Jahren. Die Summe der kumulierten Barwerte der Grenzerfolge entspricht den Gesamtwerten der jeweiligen Nutzungsdauer.


___
siehe auch:
Troßmann, Ernst: Investition. Stuttgart 1998, Kapitel 8.