Kapitalwertberechnung bei Regelfinanzierung: Unterschied zwischen den Versionen

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''von Clemens Werkmeister''
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Das Konzept der Kapitalwertberechnung bei Regelfinanzierung gehört zur [[Investitionsrechnung mit differenzierten Zinssätzen]], also bei einem unvollkommenen [[Kapitalmarkt]].
Das Konzept der Kapitalwertberechnung bei Regelfinanzierung gehört zur [[Investitionsrechnung mit differenzierten Zinssätzen]], also bei einem unvollkommenen [[Kapitalmarkt]].


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Ziel der Kapitalwertberechnung für ein Projekt ist die Bestimmung eines Betrags, der bei Projektdurchführung zusätzlich entsteht, nachdem alle Projektzahlungen berücksichtigt sind. Als Endwert wird dieser Wert zum Projektende angegeben, als Kapitalwert zu Projektbeginn.  
Ziel der Kapitalwertberechnung für ein Projekt ist die Bestimmung eines Betrags, der bei Projektdurchführung zusätzlich entsteht, nachdem alle Projektzahlungen berücksichtigt sind. Als Endwert wird dieser Wert zum Projektende angegeben, als Kapitalwert zu Projektbeginn.  


Die standardmäßige Berechnung des [[Kapitalwert]]s als Summe abgezinster Cash Flows beruht darauf, dass die Cash Flows und die zwischenzeitlichen Projektüberschüsse zumindest innerhalb einer Periode zu einem einheitlichen Zinssatz angelegt oder finanziert werden können. Dies ist vielen praktischen Anwendungen nicht der Fall, wie die folgenden Beispiele zeigen:  
Die standardmäßige Berechnung des [[Kapitalwert]]s als Summe abgezinster Cash Flows beruht darauf, dass die Cash Flows und die zwischenzeitlichen Projektüberschüsse zumindest innerhalb einer Periode zu einem einheitlichen Zinssatz angelegt oder finanziert werden können. Dieser Zinssatz wird als '''Regelzinssatz''' der Periode bezeichnet, die Gesamtheit dieser Zinssätze über die Projektdauer als Regelfinanzierung.<br>
Diese Annahme ist vielen praktischen Anwendungen nicht erfüllt, wie die folgenden Beispiele zeigen:  
* Für die Immobilienfinanzierung sind volumenabhängige Zinssätze üblich. Kleinere Beträge (z.B. bis zu 60 % der Anschaffungskosten des Objekts) können zu einem günstigen Zinssatz finanziert werden, für weitere Finanzierungstranchen fallen höhere Zinssätze an.  
* Für die Immobilienfinanzierung sind volumenabhängige Zinssätze üblich. Kleinere Beträge (z.B. bis zu 60 % der Anschaffungskosten des Objekts) können zu einem günstigen Zinssatz finanziert werden, für weitere Finanzierungstranchen fallen höhere Zinssätze an.  
* Die Konditionen von Kreditlinien oder Überziehungskrediten gelten regelmäßig nur innerhalb bestimmter Grenzen.  
* Die Konditionen von Kreditlinien oder Überziehungskrediten gelten regelmäßig nur innerhalb bestimmter Grenzen.  
* Für die Mittelanlage gelten regelmäßig andere Konditionen als für die Finanzierung.
* Für die Mittelanlage gelten regelmäßig andere Konditionen als für die Finanzierung.
In solchen Fällen erlaubt die Verwendung eines einheitlichen [[Kalkulationszinssatz]]es allenfalls eine Näherungslösung.  
In solchen Fällen erlaubt die Verwendung eines einheitlichen [[Kalkulationszinssatz]]es, der unabhängig von der Höhe des Cash flows gilt, allenfalls eine Näherungslösung.  




== Das Konzept des vollständigen Finanzplans ==


== Das Konzept des vollständigen Finanzplans ==
Zur korrekten Projektbewertung werden für derartige Fälle seit längerem [[vollständiger Finanzplan|vollständige Finanzpläne]] vorgeschlagen, die die anfallenden Projektzahlungen, ihre Finanzierung und die daraus entstehenden Zinszahlungen explizit erfassen, über die Folgeperioden fortführen und zum Ende der Projektlaufzeit einen [[Endwert]] berechnen. Endwerte liefern jedoch keinen eindeutigen Maßstab für die aktuelle Bewertung. Dazu ist eine Umrechnung in einen Kapitalwert nötig. Die standardmäßige Diskontierung scheidet im vorliegenden Fall indes aus, wenn für die einzelnen Perioden unterschiedliche Zinssätze in unterschiedlichem Ausmaß herangezogen werden. Auch eine Abzinsung mit den gewichteten Durchschnitten der Periodenzinssätze stellt nicht sicher, dass der so berechnete Barwert des Endwerts als klassischer Kapitalwert interpretiert werden kann: nämlich als der Betrag, dessen Entnahme in Jahr 0 durch die Projekt- und Finanzierungszahlungen bis zum Ende des Projekts finanziert wird, so dass über alle Projektperioden die Zahlungssalden gerade ausgeglichen sind.<br>


Zur korrekten Projektbewertung werden für derartige Fälle seit längerem [[vollständiger Finanzplan|vollständige Finanzpläne]] vorgeschlagen, die die anfallenden Projektzahlungen, ihre Finanzierung und die daraus entstehenden Zinszahlungen explizit erfassen, über die Folgeperioden fortführen und zum Ende der Projektlaufzeit einen [[Endwert]] berechnen. Endwerte liefern jedoch keinen eindeutigen Maßstab für die aktuelle Bewertung. Dazu ist eine Umrechnung in einen Kapitalwert nötig. Die standardmäßige Diskontierung scheidet im vorliegenden Fall indes aus, wenn für die einzelnen Perioden unterschiedliche Zinssätze in unterschiedlichem Ausmaß herangezogen werden. Auch eine Abzinsung mit den gewichteten Durchschnitten der Periodenzinssätze stellt nicht sicher, dass der so berechnete Barwert des Endwerts als klassischer Kapitalwert interpretiert werden kann: nämlich als der Betrag, dessen Entnahme in Jahr 0 durch die Projekt- und Finanzierungszahlungen bis zum Ende des Projekts finanziert wird, so dass über alle Projektperioden die Zahlungssalden gerade ausgeglichen sind.


== Die Ergänzung des Finanzplans um die Kapitalwertberechnung ==
== Die Ergänzung des Finanzplans um die Kapitalwertberechnung ==
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* im ersten Schritt wird der Endwert des betrachteten Projekts nach dem Konzept eines vollständigen Finanzplans berechnet
* im ersten Schritt wird der Endwert des betrachteten Projekts nach dem Konzept eines vollständigen Finanzplans berechnet
* im zweiten Schritt wird in Jahr 0 ein zusätzlicher Betrag entnommen. Dadurch werden die nachfolgenden Finanzierungs- und Zinszahlungen des Finanzplans so verändert, dass sich im Idealfall gerade ein Endwert von null ergibt. Dieser Entnahmebetrag wird als Kapitalwert des betrachteten Projekts interpretiert. Als Schätzwert für den zu entnehmenden Betrag wird der Barwert des Endwerts verwendet, der sich durch Diskontierung mit den Grenzzinssätzen der einzelnen Perioden ergibt.  
* im zweiten Schritt wird in Jahr 0 ein zusätzlicher Betrag entnommen. Dadurch werden die nachfolgenden Finanzierungs- und Zinszahlungen des Finanzplans so verändert, dass sich im Idealfall gerade ein Endwert von null ergibt. Dieser Entnahmebetrag wird als Kapitalwert des betrachteten Projekts interpretiert. Als Schätzwert für den zu entnehmenden Betrag wird der Barwert des Endwerts verwendet, der sich durch Diskontierung mit den Grenzzinssätzen der einzelnen Perioden ergibt.  
* soweit die Barwertentnahme noch nicht zum Endwert von null führt, wird sie korrigiert und anschließend der Endwert erneut berechnet. Als Schätzwert für die Korrektur des Entnahmebetrags gilt jeweils der Barwert des zuvor noch verbliebenen Endwerts. Diese Abfolge von Endwertberechnung und Entnahmebetragskorrektur in Jahr 0 wird so lange wiederholt, bis der Endwert hinreichend nahe an null ist. Der dann gültige Entnahmebetrag ist der Kapitalwert des Projekts.
* soweit die Barwertentnahme noch nicht zum Endwert von null führt, wird sie korrigiert und anschließend der Endwert erneut berechnet. Als Schätzwert für die Korrektur des Entnahmebetrags gilt jeweils der Barwert des zuvor noch verbliebenen Endwerts. Diese Abfolge von Endwertberechnung und Entnahmebetragskorrektur in Jahr 0 wird so lange wiederholt, bis der Endwert hinreichend nahe an null ist.  
Der dann gültige Entnahmebetrag ist der Kapitalwert des Projekts, die Zinssätze der jeweils zuletzt verwendeten Finanzierungskondition sind dann die relevanten Regelzinssätze.




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|t||St||st||Ft||pt||Ht||ht||gt||Et-At||St·st||Ft·pt||Ht·ht||Summe||Summe
|t||St||st||Ft||pt||Ht||ht||gt||Et-At||St·st||Ft·pt||Ht·ht||Summe||Summe
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|0||  || || || || || || ||-320.000|| || || ||-3230.000||-320.000
|0||  || || || || || || ||-320.000|| || || ||-320.000||-320.000
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|1||  0||10 %||-320.000||7 %||0||5 %||7 %||130.000||0||-22.400||0||107.600||-212.400
|1||  0||10 %||-320.000||7 %||0||5 %||7 %||130.000||0||-22.400||0||107.600||-212.400
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Der negative Endwert zeigt, dass die Entnahme zu hoch war, um durch die späteren Projektüberschüsse ausgeglichen werden zu können. Eine Korrektur der Entnahme um den Barwert nach der zweiten Iteration<br>
Der negative Endwert zeigt, dass die Entnahme zu hoch war, um durch die späteren Projektüberschüsse ausgeglichen werden zu können. Eine Korrektur der Entnahme um den Barwert nach der zweiten Iteration<br>
BW(II) = -270/(1,10 · 1,11 · 1,05) = -211 € <br> führt zum korrigierten Entnahmebetrag von 17.509 € (man beachte den geänderten Grenzzinssatz in Jahr 1). Mit dieser Entnahme ergibt sich in einer dritten Iteration ein Endwert von 0. Der Betrag kann daher als Kapitalwert interpretiert werden.
BW(II) = -270/(1,10 · 1,11 · 1,05) = -211 € <br> führt zum korrigierten Entnahmebetrag von 17.509 € (man beachte den geänderten Grenzzinssatz in Jahr 1). Mit dieser Entnahme ergibt sich in einer dritten Iteration ein Endwert von 0. Der Betrag kann daher als Kapitalwert interpretiert werden.


== Beurteilung des Konzepts ==
== Beurteilung des Konzepts ==
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Die Vorgehensweise erlaubt eine Kapitalwertberechnung in Situationen, in denen die Standardannahme einheitlicher Zinssätze nicht in dem Umfang erfüllt ist, der für ein Projekt notwendig ist. Sie ermöglicht die Berücksichtigung begrenzt gültiger und auch periodenspezifischer Zinskonditionen und lässt sich ohne Weiteres auf eine Annuitätenberechnung anwenden.
Die Vorgehensweise erlaubt eine Kapitalwertberechnung in Situationen, in denen die Standardannahme einheitlicher Zinssätze nicht in dem Umfang erfüllt ist, der für ein Projekt notwendig ist. Sie ermöglicht die Berücksichtigung begrenzt gültiger und auch periodenspezifischer Zinskonditionen und lässt sich ohne Weiteres auf eine Annuitätenberechnung anwenden.


Einschränkend ist festzustellen, dass in diesem Ansatz ebenfalls nur einperiodige Finanzgeschäfte vorgesehen sind. Eine Erweiterung in dieser Richtung bietet die [[Marktzinsmethode]]. Zudem wird das Risiko von Investitions- und Finanzprojekten nicht explizit modelliert. Doch immerhin können die Konsequenzen des Risikos in Form höherer oder niedrigerer Zinssätze abgebildet werden.
Einschränkend ist festzustellen, dass in diesem Ansatz ebenfalls nur einperiodige Finanzgeschäfte vorgesehen sind. Eine Erweiterung in dieser Richtung bietet die [[Marktzinsmethode]]. Zudem wird das Risiko von Investitions- und Finanzprojekten nicht explizit modelliert. Doch immerhin können die Konsequenzen des Risikos in Form höherer oder niedrigerer Zinssätze abgebildet werden.<br/>
 
Eine spezielle, einfachere [[Kapitalwertberechnung mit periodenspezifischen Zinssätzen]] ist möglich, wenn die Zinssätze sich zwischen den Perioden zwar unterscheiden, aber für alle relevanten Cash flows innerhalb einer Periode gleichermaßen gelten.
   
   


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siehe auch:<br>  
siehe auch:<br>  
Troßmann, Ernst: Investition. Stuttgart 1998, Kapitel 4.<br>  
Troßmann, Ernst: Investition als Führungsentscheidung. 2. Aufl., München 2013, Kapitel 4.<br>  
Troßmann, Ernst und Clemens Werkmeister: Arbeitsbuch Investition. Stuttgart 2001, Kapitel 4.<br>  
Troßmann, Ernst und Clemens Werkmeister: Arbeitsbuch Investition. Stuttgart 2001, Kapitel 4.<br>  
Schirmeister, Raimund: Theorie finanzmathematischer Investitionsrechnungen bei unvollkommenem Kapitalmarkt. München 1990.
Schirmeister, Raimund: Theorie finanzmathematischer Investitionsrechnungen bei unvollkommenem Kapitalmarkt. München 1990.
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