Algebraische Marktzinsmethode
von Clemens Werkmeister
In der Grundform der Marktzinsmethode werden alle Projektzahlungen durch Finanzgeschäfte ausgeglichen; in der normierten Form ist es eine isolierte Zahlung von 1 in einer Zielperiode. Der Umfang der notwendigen Ausgleichsgeschäfte wird explizit und retrograd bestimmt, ausgehend von der letzten auszugleichenden Periode. Die Summe der Zahlungen der Ausgleichsgeschäfte und des originären Geschäfts in Jahr 0 ergibt den Kapitalwert; im normierten Fall ist es der Zerobondabzinsfaktor.
Wegen der durchgängig linearen Struktur der unterstellten Ausgleichsprojekte können die Zerobondfaktor indes auch über ein lineares Gleichungssystem ermittelt werden. Mit x1 als Höhe des einjährigen Ausgleichsgeschäft, x2 als Höhe des zweijährigen usw. bis zu xt als Höhe der t-jährigen Anlage ergibt sich ein solches lineares Gleichungssystem. Das folgende Beispiel erzeugt in Periode 3 eine Einzahlung von genau 1 €, während sich in den vorherigen Perioden Einzahlungen und Auszahlungen jeweils ausgleichen sollen:
Periode 1: 1,04·x1 + 0,05·x2 + 0,08·x3 = 0 Periode 2: 1,05·x2 + 0,08·x3 = 0 Periode 3: 1,08·x3 = 1
Zum Ausgleich einer isolierten Normzahlung von 1 € in Periode t gilt generell:
Periode 1: (1+i1)·x1 + i2·x2 + ... + it·xt = 0 Periode 2: (1+i2)·x2 + ... + it·xt = 0 ⁞ ⁞ ⁞ ⁞ Periode t: (1+it)·xt = 1
In der Diagonalen stehen jeweils die Koeffizienten für Zins und Tilgung des Finanzgeschäfts der betreffenden Spalte, oberhalb davon die Koeffizienten für die induzierten Zinszahlungen in den Vorjahren. Die Dreiecksstruktur des Gleichungssystems sichert eine eindeutige Lösung. Die Summe der Häufigkeit der Ausgleichsprojekte ergibt die Gesamtauszahlung der Periode null, deren Betrag entspricht dem gesuchten Zerobondfaktor.
ZBF(t) = x1 + x2 + ... + xt.
Die Koeffizienten der linken Seite des Gleichungssystems lassen sich zur Matrix A zusammenfassen. Die Matrizen kürzerer Laufzeiten lassen sich sukzessive um die Koeffizienten längerer Laufzeiten ergänzen, bis der Planungshorizont t abgedeckt ist:
┌ ┐ │ 1,04 0,05 0,08 │ A(3) = │ 1,05 0,08 │ │ 1,08 │ └ ┘
┌ ┐ │ 1+i1 i2 ... it │ A(t) = │ 1+i2 it │ │ ... : │ │ 1+it │ └ ┘
Fasst man die Häufigkeiten der Ausgleichsprojekte für die Normzahlung in Jahr t im Vektor x(t) zusammen, so lautet das Gleichungssystem zur Bestimmung des Zerobond-Abzinsungsfaktors des Jahres t:
A(t) · x(t) = (0, 0, ..., 1)' mit x(t) = (x1, x2, ..., xt)'.
Nach diesem Schema lassen sich die Gleichungssysteme zur Bestimmung der Zerobond-Abzinsungsfaktors aller Jahre 1, 2, ..., t bilden. Sie werden in folgendem Matrizenprodukt für t als Laufzeit des längsten betrachteten Finanzprojekts zusammengefasst:
┌ ┐ │ 1 0 ... 0 0 │ │ 0 1 0 0 │ A(t) · (x(1), x(2), ..., x(t)) = │ ... ... ... │ │ 0 0 1 0 │ │ 0 0 0 1 │ └ ┘
oder einfach: A(t) · X = E.
E bezeichnet die Einheitsmatrix. Die Matrix X fasst die t gesuchten Vektoren zusammen und ist vom gleichen Rang wie A und E. Aus der Inversen A^-1 der Matrix A ergeben sich direkt die Lösungsvektoren in den Spalten.
X = A^-1.
Als Spaltensummen dieser Umkehrmatrix erhält man die gesuchten Zerobondfaktoren. Das nachfolgende Schema zeigt die Zerobondzinsfaktorberechnung. Die Summenbildung lässt sich algebraisch durch eine linksseitige Multiplikation der Umkehrmatrix A^-1 mit einem Summenvektor s' = (1, 1, ..., 1) erreichen. Sie führt zum Vektor ZBF der Zerobondfaktoren:
ZBF = s' · A^–1
Seine Multiplikation mit dem Zahlungsvektor CF = (CF0, CF1, ..., CFt)’ eines Projekts führt zum Kapitalwert nach der algebraischen Form der Marktzinsmethode:
Kapitalwert = s' · A^–1 · CF
Die folgende Tabelle zeigt die Vorgehensweise am bereits für die Grundform der Marktzinsmethode verwendeten Beispiel:
Matrix der Rückzahlungs- koeffizienten |
Inverse der Matrix A | |||||||
Anlage für | 1 Jahr | 2 Jahre | 3 Jahre | Anlage für | 1 Jahr | 2 Jahre | 3 Jahre | |
1,04 | 0,05 | 0,08 | 0,96154 | -0,04579 | -0,06783 | |||
A(t) = | 0 | 1,05 | 0,08 | A(t)^-1 = | 0 | 0,95238 | -0,07055 | |
0 | 0 | 1,08 | 0 | 0 | 0,92593 | |||
Spaltensumme | 0,96154 | 0,90659 | 0,78755 |
Für das zur Erläuterung der Marktzinsmethode eingeführte Projekt mit dem Zahlungsreihenvektor CF = (-320.000, 130.000, 130.000, 130.000)’ ergibt sich der bekannte Kapitalwert von 25.238 €.
Der vorgestellte algebraische Ansatz beschränkt sich auf Standardfinanzprojekte. Troßmann (1998) enthält eine Erweiterung auf beliebige lineare Projekte.
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siehe auch:
Troßmann, Ernst: Investition. 2. Aufl., München 2013, Kapitel 4.3.