Kapitalwertberechnung bei Regelfinanzierung

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Das Konzept der Kapitalwertberechnung bei Regelfinanzierung gehört zur Investitionsrechnung bei differenzierten Zinssätzen, also bei einem unvollkommenen Kapitalmarkt.


Das Problem der Kapitalwertberechnung bei begrenzt gültigen Zinssätzen

Die standardmäßige Berechnung des Kapitalwerts als Summe abgezinster Cash Flows beruht darauf, dass die Cash Flows und die zwischenzeitlichen Projektüberschüsse zumindest innerhalb einer Periode zu einem einheitlichen Zinssatz angelegt oder finanziert werden können. Dies ist vielen praktischen Anwendungen nicht der Fall, wie die folgenden Beispiele zeigen:

  • Für die Immobilienfinanzierung sind volumenabhängige Zinssätze üblich. Kleinere Beträge (z.B. bis zu 60 % der Anschaffungskosten des Objekts) können zu einem günstigen Zinssatz finanziert werden, für weitere Finanzierungstranchen fallen höhere Zinssätze an.
  • Die Konditionen von Kreditlinien oder Überziehungskrediten gelten regelmäßig nur innerhalb bestimmter Grenzen.
  • Für die Mittelanlage gelten regelmäßig andere Konditionen als für die Finanzierung.

In solchen Fällen erlaubt die Verwendung eines einheitlichen Kalkulationszinssatzes allenfalls eine Näherungslösung.


Das Konzept des vollständigen Finanzplans

Zur korrekten Projektbewertung werden für derartige Fälle seit längerem vollständige Finanzpläne vorgeschlagen, die die anfallenden Projektzahlungen, ihre Finanzierung und die daraus entstehenden Zinszahlungen explizit erfassen, über die Folgeperioden fortführen und zum Ende der Projektlaufzeit einen Endwert berechnen. Endwerte liefern jedoch keinen eindeutigen Maßstab für die aktuelle Bewertung. Dazu ist eine Umrechnung in einen Kapitalwert nötig. Die standardmäßige Diskontierung scheidet im vorliegenden Fall indes aus, da für die einzelnen Perioden unterschiedliche Zinssätze in unterschiedlichem Ausmaß herangezogen wurden. Auch eine Abzinsung mit den gewichteten Durchschnitten der Periodenzinssätze stellt nicht sicher, dass der so berechnete Barwert des Endwerts als klassischer Kapitalwert interpretiert werden kann: nämlich als der Betrag, dessen Entnahme in Jahr 0 durch die Projekt- und Finanzierungszahlungen bis zum Ende des Projekts finanziert wird, so dass über alle Projektperioden die Zahlungssalden gerade ausgeglichen sind.


Die Ergänzung des vollständigen Finanzplans um die Kapitalwertberechnung

Zur Kapitalwertberechnung bei begrenzt gültigen Zinssätzen hat Troßmann (1998) in Erweiterung eines Vorschlags von Schirmeister (xxx) eine Vorgehensweise entwickelt, die im folgenden erläutert wird. Im Kern beruht der Ansatz (Troßmann nennt ihn das „Regelfinanzierungskonzept“) auf zwei Schritten, die mehrfach wiederholt werden:

  • im ersten Schritt wird der Endwert des betrachteten Projekts nach dem Konzept eines vollständigen Finanzplans berechnet
  • im zweiten Schritt wird in Jahr 0 ein zusätzlicher Betrag entnommen. Dadurch werden die nachfolgenden Finanzierungs- und Zinszahlungen des Finanzplans so verändert, dass sich im Idealfall gerade ein Endwert von null ergibt. Dieser Entnahmebetrag wird als Kapitalwert des betrachteten Projekts interpretiert. Als Schätzwert für den zu entnehmenden Betrag wird der Barwert des Endwerts verwendet, der sich durch Diskontierung mit den Grenzzinssätzen der einzelnen Perioden ergibt.
  • soweit die Barwertentnahme noch nicht zum Endwert von null führt, wird sie korrigiert und anschließend der Endwert erneut berechnet. Als Schätzwert für die Korrektur des Entnahmebetrags gilt jeweils der Barwert des zuvor noch verbliebenen Endwerts. Diese Abfolge von Endwertberechnung und Entnahmebetragskorrektur in Jahr 0 wird so lange wiederholt, bis der Endwert hinreichend nahe an null ist. Der dann gültige Entnahmebetrag ist der Kapitalwert des Projekts.


Tabellarische Planung der differenzierten Finanzierungskonditionen

Voraussetzung für die Endwertberechnung im vollständigen Finanzplan ist die Kenntnis der Finanzierungsalternativen und ihrer Konditionen, die vor der Entscheidung über das zu bewertende Projekt gelten und die durch dieses Projekt mehr oder weniger in Anspruch genommen würden. Diese Finanzalternativen werden für jede Periode ermittelt und nach ihrem Zinssatz geordnet. Hierzu schlägt Troßmann eine spezielle tabellarische Darstellung vor:

Ausgangspunkt ist die Regelfinanzierung. Sie bezeichnet ein Finanzgeschäft, das der Betrieb im Allgemeinen schon in einem gewissen Umfang in Anspruch genommen hat und das er noch in begrenztem Umfang in Anspruch nehmen könnte. Beispielsweise hat ein Betrieb eine Kreditlinie über 500.000 € vereinbart und davon bereits 170.000 € für Projekte in Anspruch genommen, die in der Finanzplanung bereits enthalten sind. Für das zu beurteilende Projekt verbleiben daher bis zu 330.000 €. Weiterer Finanzbedarf wäre bis maximal 600.000 € zu schlechteren Konditionen zu finanzieren. Falls das zu beurteilende Projekt mit einer Einzahlung beginnt, würde der Betrieb zunächst die Inanspruchnahme der Kreditlinie zurückführen. So könnte er bis zu 170.000 € verwenden und die entsprechenden Zinsen sparen. Darüberhinaus gehende Beträge würde er – zu niedrigeren Konditionen – anlegen, hier bis maximal 300.000€. In der Darstellung von Troßmann stellt sich dies wie folgt dar:

Tabelle Jahr 1

Jahr Soll­finanzierung Soll­zins­satz Untergrenze Regel­finanzierung Regel­zins­satz Obergrenze Regel­finanzierung Haben­zins­satz Haben­finanzierung
1 -930.000 10 % -330.000 7 % 170.000 5 % 470.000


Die Tabelle enthält neben den noch verfügbaren Finanzierungsvolumina auch die Zinssätze. Regelfinanzierung heißt das mittlere Finanzgeschäft, das der Betrieb als erstes veränderu würde. Das nächstteurere Geschäft steht links davon und wird Sollfinanzierung genannt, die nächstbilligere Verwendung finanzieller Mittel steht rechts von der Regelfinanzierung und heißt Habenfinanzierung. Bei der Habenfinanzierung kann es sich tatsächlich um eine Anlagemöglichkeit handeln, doch ist dies nicht zwangsläufig. Möglicherweise ist die Rückführung einer weiteren vorhandenen Fremdfinanzierung durch zusätzlich verfügbare Mittel günstiger als deren Anlage. Links und rechts dieser drei Finanzierungen können weitere Finanzalternativen platziert werden: links noch teurere, rechts noch weniger vorteilhafte. Nur ausnahmsweise wird in der Ausgangssituation eine Regelfinanzierungsgrenze gerade bei null liegen, so wie im betrieblichen Alltag ein Kontostand nur ausnahmsweise gerade bei null liegen wird. Für die Folgeperioden sind die Regel-, die Soll- und die Habenfinanzierung auf vergleichbare Weise festzulegen. Möglicherweise entsprechen die Intervallgrenzen und Zinssätze denen der ersten Periode. Im Allgemeinen ist aber davon auszugehen, dass sich die Inanspruchnahme der Finanzierungsalternativen durch das eingeplante laufende Geschäft ändert und dass sich auch die Zinssätze ändern. Beides kann jedenfalls bei der Aufstellung der Regelfinanzierungstabellen ohne Weiteres abgebildet werden. Beispielsweise lautet die Regelfinanzierung für die Jahre 1 bis 4: Tabelle Jahr 1 bis 4 Der sichtbare Sprung in den Zinssätzen von Jahr 2 auf Jahr 3 könnte daher stammen, dass eine geplante Kapitalerhöhung die Finanzierungssituation deutlich verbessert und teure Fremdfinanzierungen zwar noch mölgich sind, aber im Regelfall zunächst nicht mehr in Anspruch genommen werden.